Aus Last mach Lust – und Schluss mit Frust!
Ich winde mich, ich drücke mich, und plötzlich habe ich ganz viele andere furchtbar wichtige Dinge zu tun. Ich schaue mir selbst dabei zu, wie ich Ausreden erfinde, wie ich nervös werde, weil der Termin immer näher rückt, und mir doch immer noch irgendwie vormache, mich um das Unvermeidliche herumschwindeln zu können – wie ein kleines Kind, das glaubt, niemand könne es sehen, nur weil es sich die Augen zuhält.
Jedes Mal dasselbe.
Wenn die Frist für meine Umsatzsteuererklärung naht, werde ich zum Kleinkind. Und zur Drückebergerin.
Zumindest war das früher so.
Irgendwann hatte ich nämlich von mir selbst und meiner Drückeritis die Nase gestrichen voll. Also beschloss ich, aus der Pflicht ein Vergnügen zu machen und aus der ungeliebten Last eine willkommene Lust.
Ich besorgte mir ein buntes Mäppchen mit vielen Fächern, in die ich alle Belege richtig einordnen kann. Ich überlegte mir ein ausgeklügeltes System, mit dem alle Rechnungen, die per Mail eintrudeln, sofort gefiltert, markiert und im entsprechenden Ordner archiviert werden. Ich erstellte eine geniale Checkliste, in der alle notwendigen Schritte akribisch vermerkt sind, und die ich konsequent aktualisiere, wenn sich noch Optimierungspotenzial zeigt.
Luxus-Event statt Buchhaltungs-Frust
Meine bislang so verhasste Quartalsabrechnung transformierte ich zu einem kleinen Luxus-Event: Herrlich würzigen Tee kochen, Duftlampe anzünden, Schreibtisch aufräumen … und los geht’s!
Außerdem schließe ich jedes Mal eine Wette mit mir ab, ob ich in weniger als drei Stunden fertig werde. Das hilft mir, dranzubleiben und mich nicht mittendrin abzulenken.
Stolz händige ich tags darauf alle Unterlagen meiner liebsten Partnerin und Freundin I. aus, die sich um meine Buchhaltung kümmert und berechnet, wie viel Umsatzsteuer ich zu zahlen habe.
Zugegeben: Buchhalterisches Denken ist für mich immer noch wie von einem anderen Stern, und Fahrtkostenabrechnungen gehören nach wie vor nicht zu meinen Lieblingsthemen.
Aber manche Dinge müssen nun mal sein – punktum.
Egal, ob du fix angestellt oder selbstständig, blutjung oder im besten Alter bist, egal, wie es um deinen Kontostand bestellt ist: Zahnarztbesuche, Wasserrohrbrüche, zeitaufwändige Erledigungen, Autopannen, nervtötende Formulare – all das gehört zum Leben.
Und dann sind da auch noch die großen Verantwortlichkeiten: Kinder, die immer im ungünstigsten Moment Mumps bekommen, KollegInnen, die ins Burnout geraten, Großeltern, die dement werden, Kredite, die abbezahlt werden wollen … undsoweiterundsofort.
Das alles kann in Summe belastend sein und sich manchmal sogar erdrückend anfühlen.
Aha! Was uns wirklich belastet.
Eines meiner größten Ahas der letzten Jahre ist jedoch Folgendes:
Die Dinge, die zu tun sind, sind keine Last. Was uns belastet, ist:
- Widerstand gegen das, was zu tun ist
- Das Gefühl, alles alleine und alles auf einmal schaffen zu müssen
- Das Gefühl, dass alles keinen Sinn hat und zu nichts führt
Ob wir unter der Last stöhnen oder das Schwere einfach leicht nehmen, liegt an uns.
Leichtigkeit und Unbeschwertheit kommen nicht von selbst – sie wollen kultiviert werden. Jeden Tag können wir aufs Neue das a gegen ein u austauschen und die Last in Lust verwandeln.
Glück ist kein Geschenk der Götter;
es ist die Frucht einer inneren Einstellung.
~ Erich Fromm
Aus Last mach Lust – und Schluss mit Frust! So geht’s:
#1 Sei stolz auf das, was du tust
Bestimmt kennst du die Geschichte von den drei Männern, die im Staub sitzen und auf Steine einschlagen, jeder mit seinem Hammer. Auf die Frage, was sie denn da tun würden, sagte der erste: „Ich behaue einen Stein!“
Der zweite antwortete: „Ich arbeite an einem Spitzbogenfenster!“
Der dritte schließlich sagte stolz: „Ich baue eine Kathedrale!“
Ob wir unsere Arbeit mit Würde und Stolz verrichten, hängt ganz davon ab, ob wir das große Bild sehen oder nicht. Es ist schwer, Sinn darin zu finden, auf einen Stein einzuklopfen. Wenn wir diesen Stein jedoch als Teil jenes Kunstwerks sehen, das unser Leben ausmacht, dann ist das Klopfen vielleicht immer noch anstrengend, und wir werden dabei staubig. Aber der Stolz auf das, was wir tun, lässt uns die Anstrengung vergessen und den Staub willkommen heißen.
Wenn ich mich um meine Buchhaltung kümmere, kann ich nur die nervigen Belege und die mühsame Fahrtkostenabrechnung darin sehen. Ich kann mir aber auch bewusst machen, dass ich damit einen wichtigen Beitrag zu meiner Selbstständigkeit und damit zu meiner Freiheit leiste. Ich kann mich über das freuen, was ich ausgegeben habe, weil ich damit anderen Menschen Freude bereitet oder sie inspiriert habe. Und ich kann zufrieden feststellen, was ich eingenommen habe, und mich darüber freuen, dass meine Arbeit Früchte trägt.
Und was, wenn dir die Herausforderungen gerade nur so um die Ohren fliegen?
Ein Grund mehr, um stolz zu sein! Das Leben traut dir offenbar einiges zu. Lass dich herausfordern, vertrau deiner Kraft – und wachse daran.
{Übrigens: Manchmal gilt es auch, stolz auf das zu sein, was du NICHT tust …}
#2: Plork = Play + Work
Warum nicht spielerisch herangehen an die Arbeit, die sowieso getan werden muss? Warum nicht die Arbeit zur höchsten Form des Vergnügens machen?
Vieles fällt uns deshalb so schwer, weil wir eine klare Trennlinie ziehen zwischen Arbeit und Spiel, zwischen Pflicht und Vergnügen, zwischen Job und Freizeit.
Wir bilden uns ein (oder haben gelernt / mit der Muttermilch aufgesogen), dass irgendetwas faul ist, wenn Arbeit Spaß macht.
Grundsätzlich ist es natürlich sehr gesund, Räume und Zeiten zu haben, in denen wir die Arbeit völlig hinter uns lassen. Umgekehrt aber können wir das Spielerische in unsere Arbeit und unsere Verpflichtungen einladen.
Für meine Wochen- und Monatsplanung verwende ich zum Beispiel bunte Stifte, und ich verziere meine To-Do-Listen mit Kringeln und Blümchen. Das habe ich schon als kleines Schulmädchen geliebt – und warum sollte ich diesbezüglich erwachsen werden? Seit Kurzem schmückt sogar ein Glitzer-Schmetterling meinen Laptop {du weißt woher er geflattert kam, liebe G. ? }
Dieser Zugang hat sich für mich auch in anderen Bereichen bewährt, zum Beispiel bei der wöchentlichen Familienkonferenz mit meinem Liebsten und Herrn Sohn. Früher arteten diese Zusammenkünfte oft in zermürbendes Lamentieren über Mathe-Prüfungen, organisatorischen Kleinkram oder die Frage aus, wie lange ein 15Jähriger eigentlich Computer spielen sollte.
Heute laufen unsere Konferenzen anders ab. Abwechselnd ist einer von uns für einen köstlichen Snack zuständig. Wir lümmeln gemütlich auf der Coach, trinken Tee und beginnen mit einem Check-in, bei dem jeder teilt, wie es ihm gerade geht und was ihn beschäftigt, vor allem aber, was er Schönes erlebt hat und was er an den anderen Familienmitgliedern schätzt.
Zuerst die Arbeit, dann das Spiel? Das ist von Vorvorgestern.
Spielerisch an die Arbeit gehen und plorken, was das Zeug hält – so geht das heute.
#3: Sprint statt Marathon, Hügelchen statt Himalaya
Der Ausblick auf 42 km Marathonlauf hat mich noch nie zu Höchstleistungen angespornt. Aber für einen kurzen, überschaubaren Sprint finde ich immer ausreichend Motivation. Wenn ich das, was zu tun ist, als Himalaya-Gebirge vor mir sehe, will ich gar nicht erst anfangen. Wenn ich die großen Berge hingegen in kleine Hügelchen aufteile, die ich einen nach dem anderen schwuppdiwupp wegschaufeln kann, sieht die Sache gleich ganz anders aus. Und wenn ich während des Schaufelns wirklich nur beim Schaufeln bin und alle anderen Hügelchen, die noch auf mich warten, für den Moment vergesse, fällt auch der ganze Druck und Stress von mir ab.
Das Schönste daran ist: Ich habe nach jedem Hügelchen das Gefühl, etwas geschafft zu haben!
Und was spricht dagegen, mich nach jedem kurzen Sprint zu belohnen – und nicht erst nach dem ganzen Marathon?
Gestalte deine Arbeit so, dass du immer eine Ziellinie nah vor Augen hast, und dass hinter jeder Ziellinie eine Belohnung auf dich wartet!
#4: Liebe deine Fehler
Oft empfinden wir unser Leben als schwer oder machen uns viel Druck, weil wir Angst vor dem Scheitern haben. Leider leben wir nicht gerade in einer fehlerfreundlichen Gesellschaft. Wir haben unseren kindlich-spielerischen Zugang eingebüßt, so dass aus jedem Fehler eine persönliche Tragödie wird.
Scheitern ist aber nur dann eine Tragödie, wenn wir nichts daraus lernen.
Wenn kleine Kinder bei ihren ersten Gehversuchen auf den Allerwertesten plumpsen, gibt es oft einen kurzen Moment, in dem sie noch unentschlossen sind, ob sie nun lachen oder weinen sollen. Manchmal richten sie ihren Blick dann fragend auf die Mutter – und je nach deren Reaktion brechen sie in Tränen oder in fröhliches Glucksen aus.
Auch wir Erwachsenen kennen solche Momente. Gut, wenn wir dann jemanden in unserer Nähe haben, der uns signalisiert:
Im Zweifelsfall lachen.
Komödie statt Tragödie. Das bringt Unbeschwertheit in all unser Tun!
#5: Mach’s dir leicht
Als ehemalige unverbesserliche Perfektionistin weiß ich ein Lied davon zu singen. Irgendwie hatte ich früher die Tendenz, mir alles möglichst schwer zu machen, alles aufwändig und kompliziert zu gestalten. Ein Teil von mir WOLLTE es einfach nicht einfach haben. Passiert mir natürlich immer noch – aber zum Glück komme ich mir meist bald genug auf die Schliche, um mir folgende Fragen zu stellen:
* Geht das nicht auch leichter, einfacher, unkomplizierter?
* Wie kann ich mit möglichst geringem Aufwand den größten Effekt erzielen?
* Wo und wie kann ich hier meine Stärken einbringen, was kann ich delegieren oder ganz weglassen?
* Was daran ist für mich lustvoll? Was kann ich dabei lernen?
Mach dir einen Sport daraus, die Dinge, die getan werden müssen, möglichst simpel zu halten. Sei elegant, unkompliziert und beschwingt bei der Sache.
Mach es dir leicht. Und fühl dich gut dabei!
#6: Aus Lust mach Last? Lass das.
Noch so eine seltsame Tendenz: Manchmal machen wir uns sogar die Lust zur Last. Dann sind Treffen mit Freund*innen, Yogastunden und Massagetermine plötzlich nichts als zusätzliche To-Dos, die abgehakt werden müssen. Das, was uns eigentlich Freude bereiten sollte, wird uns zur Pflicht. Wir fühlen uns von den Eintragungen im Kalender unter Druck gesetzt, auch wenn es sich um Freizeittermine oder freudige Anlässe handelt.
Wenn du das auch kennst, dann erinnere dich: Du musst gar nichts.
Nur weil etwas in deinem Kalender steht, ist es nicht unverrückbar.
Fühlt es sich wirklich gut an? Kannst du dich wirklich darauf freuen? Wenn nicht: Lass es.
Gib dir die Erlaubnis. Wer, wenn nicht du?
#7: Lass Last auch mal Last sein.
Kürzlich habe ich den Frauen meiner Schmetterlings-Schreibgruppe den Impuls gegeben, ein Akrostichon zum Wort „LAST“ zu schreiben.
Eine Teilnehmerin schrieb:
L ast im
A lltag
S chenkt
T iefgang
{Danke, liebe H.!}
Ich fand das ganz wunderbar. Manchmal ist das Leben einfach belastend und schwer.
Manchmal ist keine Kathedrale in Sicht, wenn wir Steine klopfen.
Manchmal finden wir einfach keinen Zugang zur Leichtigkeit, manchmal haben wir vielleicht sogar Lust auf Frust.
Dann dürfen wir uns von unseren Alltags-Lasten Tiefe schenken lassen. Da es ohne Tiefgang ohnehin keine echte Leichtigkeit gibt, können wir diesen Tiefgang als Vorbereitung dafür sehen, bald wieder leicht und unbeschwert durchs Leben zu gehen.
I dreamt, and saw that life was joy.
I woke, and saw that life was duty.
I acted, and saw that duty was joy.
~ Rabindranath Tagore
Draufgabe.
Wenn es so richtig gemein wird beim Kundalini Yoga, wenn ich glaube, mir fallen gleich die Arme ab, oder wenn meine Oberschenkel so sehr zittern, dass ich sicher bin, keinen einzigen Atemzug länger mehr durchhalten zu können, dann sagt meine hoch geschätzte Lehrerin Hanna Sat Pritam mit knochentrockener Stimme:
“Und wenn es schwer wird, dann stell dir einfach vor, es wäre leicht.”
Es ist fast ein bisschen peinlich, dass mein Geist auf einen so primitiven Trick reinfällt – aber es ist so. Es funktioniert jedes Mal. Meine Mundwinkel ziehen sich hoch, und plötzlich geht es nicht mehr um Durchhalten, sondern um Spielen 😉
Beitragsbild: © olly – Fotolia
Foto Kind by Caleb Woods on Unsplash
Foto Seifenblasen by Uroš Jovičić on Unsplash
Danke dafür, das werd ich mir ausdrucken und immer wieder lesen!!! LG, Sandra
Super! 🙂 <3
Liebe Laya,
ich bin ertappt… Und werde mich – inspiriert von deinen Tricks – endlich zur Buchhaltung setzen. Aber vorher wird genüsslich gefrühstückt!
Herzlichst, Alexandra
Am besten Frühstück mit Prosecco, dann geht das mit der Buchhaltung gleich noch viel beschwingter 🙂
Es finden sich immer wieder Lebensweisheiten, dass ich mir denke: Ja, genau das ist es.
Und dann vergesse ich sie wieder. Die Idee mit dem Ausdrucken von Sandra finde ich gut.
Vielleicht mache ich mir ein kleines Laya-Büchlein mit den für mich wichtigsten Passagen.
Vielleicht.
Jedenfalls Danke!
Liebe Andrea, freut mich sehr, dass meine Wald- und Wiesenweisheiten bei dir auf offene Ohren treffen 🙂
Vielleicht hast du einfach noch ein bisschen Geduld … irgendwann (bald) gibt’s ein Buch mit meinen gesammelten Tricks, Tipps und Hacks!
Alles Liebe
Laya
Liebe Laya, ich könnte jetzt nicht sagen, welches Kapitel wichtiger ist ! Deine Newsletter zu lesen ist für mich immer wieder fesselnd. Eigentlich lese ich selten Newsletter aber du schreibst so toll , dass du mich jedesmal mit deinen Worten abholst. Vielen vielen Dank
Liebe Ingrid,
das freut – und ehrt – mich aber wirklich sehr! Danke, dass ich dich abholen darf 🙂
Alles Liebe
Laya
Ich hätte bitte gern ihren newsletter.
Liebe Melanie,
mit Vergnügen!
Herzlich
Laya
Liebe Laya, deine Beiträge haben mir dieses Jahr oft meinen Sonntag Morgen im Bett zu einem kostbaren Moment gemacht. Meine Seele und mein Herz wurden genährt, viele Erkenntnisse bahnten sich durch deine Worte ihren Weg. Und ich fühlte eine wunderbare Verbindung zu dir und vielen anderen Menschen, die auf dem Weg des Herzens sind.
Danke auch für den heutigen Beitrag. Er erinnert mich daran, auf meinem Weg als Online-Unternehmerin die Kathedrale zu sehen, an der ich mitbauen darf. Und die lästige und ungeliebte Buchhhaltung als wichtigen und wunderschönen Stein dafür zu sehen. Diese Woche kaufe ich mir einen schönen Ordner und fange an, die Freude auch in diese Arbeit einzuladen.
Herzliche Grüße aus Ravensburg – Alexandra
Liebe Alexandra,
wie schön! Gerade als Solopreneurin ist es nicht immer einfach, die Kathedrale zu sehen. Wie wunderbar, wenn wir uns gegenseitig immer wieder daran erinnern, dass wir gemeinsam an einer liebevolleren Zukunft bauen! Die Verbundenheit, von der du schreibst, ist eine der kostbarsten Erfahrungen, die ich auf meinem Weg gemacht habe – dafür bin ich sehr dankbar.
Herzensgrüße nach Ravensburg
Laya